Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat seine Eröffnungsbilanz zum Klimaschutz vorgestellt. Dabei stellt er gerade im Energiebereich ein ernüchterndes Ergebnis fest: Die CO2-Emissionen sind 2021 wieder gestiegen, der Ausbau der Windenergie an Land und auf See ist auf dem niedrigsten Stand der vergangenen zehn Jahre, die Fertigstellung der Stromnetze verzögert sich um weitere Jahre und der Strombedarf für 2030 wurde systematisch unterschätzt. Die Energiewirtschaft hat dabei mit rund 30 Prozent den größten Anteil der Emissionen in Deutschland. Um das gesetzliche Ziel für 2030 zu erreichen, müssen die Energie-Emissionen gegenüber heute mehr als halbiert werden. Die aktuelle Lücke zum Klimaziel 2030 beträgt laut Projektionsbericht 85 Mio. Tonnen.

Den Ausbau der erneuerbaren Energien drastisch zu beschleunigen und die Hemmnisse und Hürden aus dem Weg zu räumen habe vor diesem Hintergrund absolute Priorität, heißt es in dem 36-Seitigen Papier. Um die Ziele zu erreichen, will Habeck ein erstes Klimaschutz-Paket bis Ende April vorlegen, ein zweites im Sommer. Sofort angehen will er beispielsweise die Neuaufstellung des EEG, um den Ausbau der Solar- und der Windenergie zu beschleunigen. Den Windenergieausbau will Habeck dabei mit dem Artenschutz versöhnen.

Ein Kernstück der Aktivitäten beim Klimaschutz wird eine Reform des EEG sein. Bis 2030 sollen Erneuerbare einen Anteil von 80 Prozent am Stromverbrauch haben, bezogen auf einen Stromverbrauch von 715 TWh, wie das Papier nun festhält. Das Gesetz muss spätestens im Sommer durch das Kabinett, nur so bleibe noch Zeit für die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen in der 2. Jahreshälfte 2022, schreibt das Ministerium. Die Novelle wird auch den Grundsatz beinhalten, dass der Erneuerbaren-Ausbau im „überragenden öffentlichen Interesse“ liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Diese rechtliche Absicherung soll Genehmigungsverfahren beschleunigen.

Ein Beschleunigungspaket plant Habeck zudem für die Solarbranche, etwa bessere Regeln für Mieterstrom, eine Erhöhung der Schwelle für die Teilnahme an Ausschreibungen sowie mehr Gebiete für Freiflächenanlagen. Auch die Solarpflicht für Neubauten wird schnell kommen. Um die installierte Leistung von 200 GW Solarenergie im Jahr 2030 zu erreichen, soll der jährliche Zubau auf 20 Gigawatt erhöht werden.

Bei der Windenergie will Habeck kurzfristig die geltenden Abstände zu Drehfunkfeuern der Flugsicherung und Wetterraden reduzieren, die den Ausbau beschränken. Das Ministerium sieht hier ein Ausbaupotential von 5.000 MW, weitere bis zu 4.000 MW bei militärischen Flächen. Das Thema ist allerdings nicht neu: Kürze Abstände zur Radaranlagen scheiterten in der Vergangenheit auch am Widerstand der Deutschen Flugsicherung. Habeck ist hier auch auf Mithilfe des FDP-geführten Bundesverkehrsministerium angewiesen. Gesetzlich festlegen wird das Wirtschaftsministerium außerdem, dass künftig zwei Prozent der Landesflächen für die Windenergie reserviert sein sollen. Die benötigten zwei Prozent an Flächen für die Windenergie würden derzeit nur Schleswig-Holstein und Hessen annähernd ausweisen. Habeck will nun in Gesprächen den Druck auf die Länder, insbesondere auf Bayern mit der 10-H-Regelung, erhöhen. Dort muss ein Windrad mindestens das Zehnfache seiner Höhe von Wohnbebauung entfernt sein.

Sämtliche Klimaschutzvorhaben sollen dabei sozialverträglich gestaltet werden. Eine Maßnahme ist hier die bekannte Abschaffung der EEG-Umlage Anfang 2023, die den Strompreis entlastet. Kurzfristig will die Ampel Mieterinnen und Mieter mit einem einmaligen Heizkostenzuschuss für einkommensschwache Haushalte unter die Arme greifen. Er staffelt sich ab 135 Euro aufwärts, je nach Haushaltsgröße. Die Bundesregierung plant dafür im laufenden Jahr 130 Mio. Euro ein, wie aus dem Gesetzentwurf hervorgeht. Profitieren könnten rund 700.000 Haushalte.

Entlastungen für die Industrie will das Wirtschaftsministerium erhalten. Deswegen soll es eine neue Rechtsgrundlage für die Besondere Ausgleichsregelung geben, die Unternehmen nicht nur von der EEG-Umlage, sondern auch von der Abgabe für KWK und Offshore-Netze befreit. Auch die Klimaschutzverträge sollen laut Papier bald kommen. Mit ihnen winkt der Industrie eine Entlastung von den Kosten für Investitionen in grüne Technologien.

Auch im Wärmemarkt will das Ministerium schnell aktiv werden, um das vereinbarte Ziel von 50 Prozent klimaneutraler Wärme bis 2030 zu erreichen. Konkret sollen die Mittel der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) schnell angehoben werden. Zudem soll es eine Gebäudestrategie Klimaneutralität geben. Das Gebäudeenergiegesetz, das vielfach als zu lax kritisiert wurde, wird zügig überarbeitet, so die Ankündigung

Zugleich sollen Gaskraftwerke laut Papier auch den Kohleausstieg bis 2030 sicherstellen. Mit dem zunehmenden Ausbau der Erneuerbaren würden die Gaskraftwerke aber mehr und mehr als Reservekapazitäten fungieren.

Zur Senkung des Strompreises verweist das Papier vor allem auf die geplante Abschaffung der EEG-Umlage – Carbon Contracts for Difference sollen zudem die Transformation der Industrie unterstützen. Zusammen mit einer Wärmestrategie und einer neu aufgesetzten Wasserstoffstrategie sollen die Maßnahmen als Oster- und Sommerpaket ins Kabinett gebracht werden, dass die notwendigen Gesetze bis Ende 2022 abgeschlossen werden und ab 2023 greifen können.

 

Ansprechpartnerin: Rechtsanwältin Sarah Schweizer